LG Stuttgart / LG Hamburg:

Rechtsichere Einbindung von AGB und Widerrufsbelehrung bei Amazon nicht möglich

Wer bei Amazon direkt kauft, erlebt ein Musterbeispiel für die Erfüllung von fernabsatzrechtlichen Informationspflichten. AGB und Widerrufsbelehrung sind zutreffend formuliert, an der passenden Stelle eingebunden und werden überdies nach dem Kauf per E-Mail in Textform übersendet. Perfekt. Wer sich als Verkäufer auf dem Amazon-Marketplace betätigt, kann sich dagegen warm anziehen: nach übereinstimmender Auffassung der Landgerichte Stuttgart und Hamburg ist dort ein rechtssicherer Handel quasi ausgeschlossen.

Photobank gallery / Shutterstock.com
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Uns liegen zwei einstweilige Verfügungen der Gerichte mit gleichem Inhalt vor. Die Gerichte sind übereinstimmend der Auffassung, dass die Erfüllung der einschlägigen Informationspflichten sowie die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf dem Amazon-Marketplace nach derzeitigem Stand nicht möglich sind. So kommt es, dass sich zwei Mitbewerber gegenseitig außer Gefecht setzen.

Das Problem ist zum einen den spezifischen Besonderheiten des Handels auf Amazon geschuldet. Zum anderen scheint Amazon kein echtes Interesse zu haben, den Marketplace-Händlern die Erfüllung von unverzichtbaren Informationspflichten, insbesondere der Erteilung einer Widerrufsbelehrung, zu ermöglichen. Die Besonderheit bei Amazon liegt darin, dass Produktbeschreibungen allgemeinverbindlich sind, also für alle Händler gelten, die dieselben Produkte verkaufen. Überdies kann jeder dieser Händler auf den Inhalt Einfluss nehmen, was für jeden Einzelnen ein unkalkulierbares Risiko darstellt. In technischer Hinsicht existiert definitiv keine hinreichende Möglichkeit für Händler, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Dies hat zur Folge, dass sich derzeit die Abmahnungen wegen Verstößen gegen Belehrungs- und Informationspflichten häufen.

Was sich von den eBay-Händlern bequem in die Produktbeschreibung verorten lässt, ist also bei Amazon nicht möglich. Dort finden sich in der Produktbeschreibung zwar Links mit den Bezeichnungen „Datenschutzerklärung von …“, „Versandbedingungen von …“ und „Umtausch- und Rücknahme bei …“ – und das noch nicht einmal in der eigentlichen Produktbeschreibung, sondern lediglich am Ende der Seite nach diversen Informationen, die mit dem Produkt selbst oder dessen Verkauf nichts zu tun haben (Tags, Rezensionen, ähnliche Artikel, Forenbeiträge usw.). Auch wenn diese Links zu den vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Informationen führen und diese im Grunde richtig sind, genügt dies den gesetzlichen Anforderungen trotzdem in mehrfacher Hinsicht nicht: zum einen lassen die Beschreibungen schon nicht erkennen, dass sich dahinter Allgemeine Geschäftsbedingungen oder eine Widerrufsbelehrung verbirgt. Zum anderen sind die Links am Seitenende derart gut versteckt, dass sie faktisch nicht aufgefunden werden können. Die Möglichkeit, erforderliche Informationen im Rahmen der Verkäuferinformationen vorzuhalten, ist damit trügerisch. Diese müssen nämlich nicht nur vorhanden, sondern auch klar und erkennbar zur Verfügung gestellt werden.

Nicht besser wird es bei der Fortsetzung der Bestellung über den Warenkorb oder das 1-Click-Verfahren. Auf den Bestellablauf hat der Marketplace-Händler nämlich keinerlei Einfluss mehr. Amazon selbst stellt bis zum Abschluss der Bestellung auch keine Verlinkung auf die Informationen des Händlers mehr zur Verfügung und bezieht auf der letzten Seite lediglich allgemein die eigenen AGB bzw. die im Verhältnis zum Marketplace-Händler geltenden Teilnahmebedingungen zur Verfügung. Dort findet sich alles Mögliche, nur nicht das, worauf es ankommt: zwischen den Vertragspartnern geltende Bedingungen und für den Käufer bestimmte Pflichtinformationen.

Im Ergebnis gibt es derzeit keine Möglichkeit, die gesetzlichen Anforderungen beim Abschluss von Fernabsatzverträgen über den Amazon-Marketplace zu erfüllen. Die dramatische Folge kann – wie in den beiden Verfahren vor dem LG Hamburg und dem LG Stuttgart – sein, dass der Händlershop ganz aufgegeben werden muss. Das Erstaunliche an beiden Verfahren ist, dass an diesen dieselben Parteien in vertauschten Rollen beteiligt waren und sich jetzt beide von Amazon zurückziehen können. Offensichtlich hat der von einem sehr umtriebigen Kollegen vertretene Erstabmahner nicht an diese zwangsläufige Folge gedacht – warum auch immer.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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