LG Berlin:

Kunstfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht – „Fear“ gewinnt

Das Recht einer Politikerin der „neuen Rechten“ am Schutz ihrer Persönlichkeit hat hinter der Kunstfreiheit zurückzutreten. So entschied das Landgericht Berlin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zugunsten des Berliner Theaters Schaubühne. Das Stück „Fear“ darf weiterhin unverändert aufgeführt werden.

Kunstfreiheit - Politikerin als Zombie

Das Berliner Theater Schaubühne führt seit Oktober 2015 ein Theaterstück mit dem Titel „Fear“ auf und beschreibt dieses auf seiner Internetseite.

In diesem Stück wird u.a. eine Politikerin der „neuen Rechten“ mehrfach namentlich erwähnt. Zudem wird ihr Bildnis mehrfach auf eine Leinwand projiziert und u.a. auch als Papierausdruck in das Bühnenbild integriert.

In der Gesamtdarstellung tauchen immer wieder Zombies auf. In einem der Monologe heißt es:

„Der Zombie stirbt nur, wenn man ihm direkt ins Gehirn schießt und sein Gehirn auslöscht.“

Während des Monologes werden in zugiger Abfolge u.a. Bildnisse der antragstellenden Politikerin großformatig auf eine Leinwand projiziert.

In dieser Darstellung sah sich die Politikerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und beantragte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Untersagung der zur Schaustellung und Verbreitung ihres Bildnisses bei der Aufführung des Theaterstücks „Fear“.

Das Berliner Theater wehrte sich gegen diesen Antrag und berief sich auf die Kunstfreiheit. Es führte aus, dass in dem Theaterstück an keiner Stelle zu Gewalt gegen die Politikerin aufgerufen werde. Die „Zombies“ seien das Untote, das Nichtlebendige, es seien die neuen rechten Argumente, die bezeichnet würden.

Entscheidung des Gerichts zugunsten der Kunstfreiheit

Mit seinem Urteil vom 15.12.2015 – 27 O 638/15 hat das LG Berlin zugunsten des Berliner Theaters entschieden und den Unterlassungsanspruch mangels Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Politikerin verneint.

Zwar dürfen Bildnisse nicht ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet oder zur Schau gestellt werden. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Verbreitung oder Schaustellung dem höheren Interesse der Kunst dient. Davon könne bei dem vorliegenden Theaterstück ohne weiteres ausgegangen werden. Das Recht der Politikerin am Schutz ihrer Persönlichkeit habe vorliegend hinter der Kunstfreiheit zurückzutreten.

Die Zurschaustellung sei Teil der streitgegenständlichen Inszenierung. Die Kunstfreiheit ziehe dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Dies gelte im Verhältnis Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachten Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichen und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden.

Das Gericht hat dabei nicht übersehen, dass auch die Kunstfreiheit nicht grenzenlos gewährt wird. Gleichwohl ist es bei der Abwägung der vorliegend widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die gegenständliche Theaterinszenierung weder die Politikerin ihrer Menschenwürde beraubt wird, noch ein verständiger Theaterbesucher ernsthaft annehmen wird, dass in dem Stück zu Gewalt u.a. gegen die antragstellende Politikerin aufgerufen wird.

Fazit

Grundsätzlich dürfen Bildnisse ohne die Einwilligung des Abgebildeten nicht zur Schau gestellt oder verbreitet werden, es sei denn es dient dem höheren Interesse der Kunst. In diesem Fall ist zu klären, ob die Beeinträchtigung des Betroffenen derart schwerwiegend ist, dass die Kunstfreiheit zurücktreten muss. Vorliegend hat das Gericht eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung verneint und sämtliche Vorwürfe seitens der Politikerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

 

Artikel als PDF speichern

Helene Klassen-Rock

Rechtsanwältin . Senior Associate
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
+49 711 41019071