OLG Stuttgart:

Haftung von Wikipedia für Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Wikipedia ist einer der beliebtesten Seiten im Internet. Die Inhalte der Online-Enzyklopädie stammen bekanntlich von Autoren und nicht von Wikipedai selbst. Wikipedia stellt lediglich die Plattform zur Verfügung. Haftet Wikipedia trotzdem, wenn dort rechtsverletzende Inhalte verbreitet werden, die ja nicht von WIkipedai selbst stammen. Das Oberlandesgericht Stuttgart sagt ja, jedenfalls unter gewissen Umständen.

Auf wikipedia.de, der deutschsprachigen Seite von WIkipedia, war ein Artikel über einen Unternehmer der unter anderem in Baden-Württemberg bis 2004 einen Fernsehsender betriebt enthalten. In dem Artikel wird ein Zeitungsartikel zitiert, in dem unter anderem über den Unternehmer berichtet wurde, er habe in äußerungen Sex mit Kindern verharmlost und in einer Sendung den Hitlergruß gezeigt. Diese Aussagen über den Unternehmer waren unzutreffend, weshalb dieser Ansprüche gegen Wikipedia geltend machte.

Auch bezüglich weiterer Aussagen im Wikipedia-Artikel, er habe seine Mitarbeiter einer „Gehirnwäsche“ unterzogen und es hätten „sektenähnliche Zustände“ geherrscht, machte der Unternehmer Unterlassungsansprüche geltend.

Wikipedia verneinte eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Es sei lediglich ein Zeitungsbericht zitiert worden. Insoweit könne WIkipedia sich auf die Pressefreiheit berufen.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Stuttgart (Urteil vom 02.10.2013 – Az. 4 U 78/13) verurteilte Wikipedia zur Unterlassung.

Grundsätzlich bestehe für einen Betreiber einer Online-Enzyklopädie der lediglich Dritten (den Nutzern) die Plattform und einen Speicherplatz zur Verfügung stelle, damit diese selbst verfasste Beiträge dort einstellen können, ohne dass diese durch den Betreiber vorab kontrolliert würden, auch keine Pflicht die Beiträge vorab auf etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu prüfen.

Wikipedia hafte vorliegend allerdings, weil Wikipedia auch nachdem sie über die Persönlichkeitsrechtsverletzung informiert wurde  nicht reagiert habe.

Wikipedia sei auch nicht mit Online-Archiven von Presseorganen in denen sich ältere Artikel finde vergleichbar, da Wikipedia ja gerade auf eine ständige Aktualisierung der Beiträge abziele.

Da die Vorwürfe gegen den Unternehmer unwahr seien, überwiege bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und dem Informationsinteresse der öffentlichkeit sowie der Meinungsfreiheit andererseits das Persönlichkeitsrecht bei fehlender Aktualität regelmäßig auch dann, wenn gleichzeitig mitgeteilt werde, dass das Verfahren gegen den Unternehmer diesbezüglich eingestellt worden sei.

Fazit

Für Wikipedia oder andere Onlinenachschlagewerke bergen die Entscheidungen durchaus Risiken. Denn auch wenn eine Berichterstattung in einem Online-Pressearchiv weiterhin (zulässigerweise) noch abrufbar ist, ist ein Zitat oder Verweis hierauf gleichwohl möglicherweise eine Rechtsverletzung für die sie ab Kenntnis haften. Denn nach Auffassung der Stuttgarter Oberlandesrichter wird Wikipedia als aktuelles Angebot angesehen, wohingegen ein Pressearchiv erkennbar lediglich historische Dokumente enthält.

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Clemens Pfitzer

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
IT-Recht
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