OLG München:

1300 Euro für Tatort Vorspann sind genug

Die Erfinderin des Vorspanns zur Fernsehserie „Tatort“ hatte wegen des dauerhaften Erfolgs der Serie eine angemessene weitere Beteiligung gefordert. Im Jahr 1969 hatte sie für Ihre Arbeit nur einen Einmalbetrag erhalten.

Vor der Urheberrechtsreform 2002 war für einen Anspruch auf weitere Beteiligung des Urhebers (heute § 32 a UrhG) unter anderem erforderlich gewesen, dass der tatsächliche Erfolg des Werkes zum Zeitpunkt der Lizenzierung nicht absehbar war. Das Landgericht München I, und auf die daraufhin eingelegte Berufung, das OLG München hatte im Rahmen einer Stufenklage über einen Auskunftsanspruch der Erfinderin des bekannten Tatort-Vorspanns zu entscheiden, der seit 40 Jahren in unveränderter Form für die Serie verwendet wird, und bis zu zwei Mal täglich im Fernsehen läuft.

Die Klägerin hatte 1969 als Subunternehmerin der Münchener Produktionsfirma GEO-Film einen Trailer-Vorschlag für die damals vom Bayrischen Rundfunk und dem Westdeutschen Rundfunk in Auftrag gegebenen ersten Folgen der Serie „Tatort“ erstellt, und dafür eine einmalige, abschließende Buy-Out Zahlung von umgerechnet ca. 1300 Euro erhalten. Dieser Vorschlag wurde für die Serie übernommen, und wird als einziger Vorspann aus damaliger Zeit im deutschen Fernsehen überhaupt, bis heute allen Folgen der Serie vorangestellt. Die Klägerin, die das Storyboard entworfen, und auch beim Filmdreh mitgewirkt hatte, hat nun im Jahr 2009 u.a. Klage auf weitere angemessene Vergütung und Urheberbenennung erhoben, und zunächst einen Auskunftsanspruch über den Umfang der Verwertung und der Einnahmen durch die Fernsehsender geltend gemacht.

Diese verteidigten sich damit, der Vorspann sei für die Serie nur von untergeordneter Bedeutung und wirke sich auf den Erfolg des Films nicht aus. Die Klägerin sei jedenfalls nicht alleinige Urheberin und daher nur gemeinsam mit den anderen Urhebern berechtigt, derartige Ansprüche geltend zu machen. Schließlich seien Einmalvergütungen auch branchenüblich und damit rechtsverbindlich, was sich schon dadurch zeige, dass eine weitere angemessene Beteiligung nur bei einem besonderen wirtschaftlichen Erfolg verlangt werden könne. Zu einem solchen Erfolg habe der Vorspann aber nur unwesentlich beigetragen. Auch eine Urhebernennung für Trailer scheide aus, da eine solche branchenunüblich und aus Platzgründen nicht möglich sei.

Entscheidung des Gerichts

Noch das Landgericht München I (Urteil vom 24.03.2010 – 21 O 11590/09) hatte in einem Teilurteil zunächst dem Auskunfts- und Urhebernennungsersuchen der Klägerin weitgehend stattgegeben. Es verurteilte sowohl den BR als auch den WDR in sehr weitgehendem Maße zur Auskunft über den Umfang der Nutzung der Serie und die damit erzielten Erlöse einschließlich der Nebenerlöse aus Nebenrechten, Merchandising usw. Hinsichtlich der Urheberbenennung verurteilte es die Sender bei Meidung eines Ordnungsgeldes von EUR 250.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung oder Ordnungshaft von 6 Monaten, es zu unterlassen, den Tatort-Vorspann zu zeigen, ohne die Klägerin als Urheberin zu nennen, oder wie im Internet geschehen, einen ehemaligen Redakteur als Erfinder anzugeben. Die Klägerin könne als Urheberin des Filmwerks und zusätzlich Urheberin eines vorbestehenden Werks, des Storyboards, nach altem wie nach neuem Recht eine Vertragsanpassung auf Einräumung einer weiteren Vergütung geltend machen. Selbst wenn es sich bei dem Vorspann nur um ein Begleitwerk handele, setze der Anspruch nur die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ihres Beitrages, und keinen besondere Auswirkung auf den Erfolg der Serie selbst voraus. Sie sei auch alleine berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen, da der Nachvergütungsanspruch nicht aus dem gemeinschaftlichen Urheberrecht selbst, sondern aus den zwischen den Parteien direkt geschlossenen Verträgen folge. Auch eine Buy-Out Vergütung sei zwar nicht automatisch immer unangemessen, aber jedenfalls immer dann, wenn die fortlaufende Nutzung des Werkes erfolge. Zusammen mit dem sehr großen Umfang der Nutzung und dem „Kultcharakter“ des Vorspanns sei dies hier Indiz genug für die Annahme eines auffälligen, ja groben Missverhältnisses.

In zweiter Instanz hat das OLG München dann mit Urteil vom 10.02.2011 (Az. 29 U 1749/10) der Berufung weitgehend stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil insoweit aufgehoben.

Für einen Anspruch auf weitere Beteiligung des Urhebers sei wegen der Voraussetzung der „auffälligen Missverhältnisses“ erforderlich, dass der Beitrag des eine Nachvergütung beanspruchenden Urhebers für das Gesamtwerk nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Zwar habe der Vorspann nach der regelmäßigen Ausstrahlung über 40 Jahre hin einen hohen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung erreicht. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige aber nicht die Annahme, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Vorspann um einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtwerk, nämlich dem nachfolgenden Kriminalfilm, handele. Der Vorspann habe im Rahmen des Gesamtwerkes der „Tatort“ Krimis lediglich kennzeichnende Funktion und weise für den Zuschauer in markanter Weise auf die nachfolgende Sendung hin. Hierauf beschränke sich der Beitrag des Vorspanns zum Fernsehfilm als Gesamtwerk. Der Vorspann werde im Fernsehen nicht um seiner selbst willen ausgestrahlt, und seine häufige Nutzung sei in erster Linie auf die hohe Akzeptanz der nachfolgenden, in der Regel 90-minütigen Filme der Krimiserie „Tatort“ zurückzuführen, so dass aus Sicht des Gerichts kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass der Fersehzuschauer sich den „Tatort“ nicht wegen seines Vorspanns ansehe.

Die erstinstanzlich gewährten Ansprüche aus unterlassener Nennung der Miturheberschaft bejahte das OLG München hingegen ebenfalls.

Fazit

Auch wenn der Ausgangspunkt des OLG, zu prüfen, ob der „Tatort“-Vorspann für den Erfolg der Gesamtserie lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt hat, die ein auffälliges Missverhältnis ausschließt, richtig ist, muss sich das OLG fragen lassen, ob es hierbei die richtigen Anknüpfungspunkte herangezogen hat, und was es dann ist, was den Erfolg der Serie ausmacht:

Bei dem über die vergangenen vierzig Jahre inzwischen über 800 Episoden umfassenden „Gesamtwerk“ gab es nur einen einzigen „Kommissar“, der an 60 oder mehr Folgen mitgewirkt hat (Miroslav Nemec als Hauptkommissar Ivo Batic), der Regisseur mit den meisten Folgen ist Hartmut Griesmayr mit 26 Episoden, und der Autor, dem die meisten Folgen zuzuschreiben sind, ist mit derzeit 33 Folgen Felix Huby (Quelle: imdb.com). Dennoch hält sich die Serie erfolgreicher als alle anderen vergleichbaren Krimi-Serien, deren Folgen zum Teil von denselben Regisseuren inszeniert, und von denselben Autoren verfasst wurden. Es liegt daher nahe, dass die Tatort „Serie“ dennoch eine Besonderheit aufweist, die sie von anderen ca. 90-minütigen Krimiformaten unterscheidet.

Da der Vorspann eines der wenigen wesentlichen Elemente ist, welches bei allen über 800 bisherigen Episoden nicht nur ähnlich, sondern identisch war, stellt sich die Frage, ob das Oberlandesgericht dies in seiner Beweiswürdigung ausreichend berücksichtigt hat.

 

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