LG Stuttgart:

Bonatz Erbe verliert gegen Bahnprojekt „Stuttgart 21“

Mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart wurde der Urheberrechtstreit um den Stuttgarter Hauptbahnhof erstinstanzlich entschieden. Im vorliegenden Fall hatte das LG Stuttgart die schwierige urheberrechtliche Abwägung zwischen den Erhaltungsinteresse des Enkels des Urhebers des Stuttgarter Hauptbahnhofes Bonatz am unveränderten Bestand des Stuttgarter Bahnhofbaus und den Interessen der Bahn AG als Eigentümerin an der Verwirklichung ihrer Ziele in Bezug auf die Umsetzung des Projekts „Stuttgart 21“ zu treffen.

Im Rahmen des Bahnprojektes „Stuttgart 21“ und der Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofes von einem Kopf- in einen Durchgangsbahnhof, wurde von der Deutschen Bahn AG beschlossen, beide Seitenflügel samt Treppenanlage in der großen Schalterhalle des denkmalgeschützten Bonatz-Baus abzureißen. Der Enkel des Urhebers, Herr Peter Dübbers, wehrt sich als einer der Erben des Architekten Prof. Paul Bonatz (1877 bis 1956), der den Hauptbahnhof Stuttgart geplant und die Ausführung geleitet hat, gegen diesen geplanten Abriss, da dieser nach Meinung des Erben das Gebäude als Gesamtkunstwerk verstümmeln würde.
Die Klage richtete sich dabei nicht gegen die Umwandlung des Hauptbahnhofs von einem Kopf- in einen Durchgangsbahnhof, es ging ausschließlich um die vollständige Erhaltung der Integrität des Bonatz-Baus selbst.

Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Stuttgart entschied in seinem Urteil vom 19.05.2010 – Az. 17 O 42/10, zugunsten der Deutschen Bahn AG.
Das urheberrechtliche Erhaltungsinteresse des Bonatz Erben muss nach Ansicht des Landgerichts hier hinter den Modernisierungsinteressen des Eigentümers zurücktreten.

Zwar sind die Abrissmaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof als intensiver Eingriffe in ein einzigartiges Werk der Baukunst zu qualifizieren. Der Ablauf von drei Vierteln der urheberrechtlichen Schutzdauer von 70 Jahren für das Bauwerk sowie die Beschränkung der Abrissmaßnahmen auf die Flügelbauten relativieren jedoch das urheberpersönlichkeitsrechtliche Erhaltungsinteresse. Außerdem bleiben die wesentlichen Gebäudeteile erhalten, so dass die Handschrift des Urhebers erhalten bleibe.

Angesichts der starken Funktionsbindung des Bahnhofsgebäudes als Zweckbau, an der auch Paul Bonatz seine ästhetische Gestaltung ausrichtete, ist ein starkes Modernisierungsinteresse des Gebäudeeigentümers gegeben. Bei einem Funktionsbau wie dem Stuttgarter Hauptbahnhof sind die verkehrsstrategisch überragenden Weiterentwicklungsinteressen der Bahn gegenüber den Erhaltungsinteressen des Bonatz Erben vorrangig, da die geplante Umwandlung des bisherigen Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof zu einem Funktions- und Bezugsverlust der Flügelbauten führen wird. Ihr Abriss ist als Konsequenz dieser Funktionsänderung hinzunehmen.

Fazit
Der hier unterlegene Bonatz Erbe Herr Dübbers hat bereits angekündigt, diesen Urheberrechtsstreit in die zweite Instanz führen zu wollen. Die Qualifizierung des Stuttgarter Hauptbahnhofes als einzigartiges Werk der Baukunst verleiht dem Inhaber der Urheberrechte in der zweiten Instanz durchaus den berechtigten Grund zur Hoffnung, dass er den Abriss von Teilen des Bonatz-Baus doch noch verhindert kann. Es wird von dem Rechteinhaber weiter argumentiert werden, dass die Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofes von einem Kopf- in einen Durchgangsbahnhof auch ohne den Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Gebäudes vollzogen werden kann.

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Christopher A. Wolf, MBA

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
Urheber- und Medienrecht
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