BVerfG:

Recht auf Anonymität auch für wilde Kerle?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet unter anderem ein Recht auf Anonymität. Dazu gehört das Recht in Berichterstattungen der Presse nicht namentlich genannt zu werden. Dies wird besonders dann relevant, wenn Gegenstand des Berichts ein möglicherweise strafrechtliches Verhalten ist, da dies besonders geeignet ist eine Person in ihrem öffentlichen Ansehen zu schädigen. Das BVerfG hatte sich mit der Frage zu befassen ob eine identifizierende Berichterstattung über strafrechtlich relevantes Verhalten bei Jugendlichen möglich ist.

itsmejust / Shutterstock.com
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Dem Ausgangsfall lag ein Artikel der „Sächsischen Zeitung“ zugrunde, der sowohl in der Printausgabe als auch im Internet verbreitet wurde. In diesem wurde darüber berichtet, die Söhne des Schauspielers O. , ebenfalls bekannte Jungschauspieler, hätten gemeinsam mit weiteren Jugendlichen in der sog. Freinacht in München Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle beschädigt. Zudem berichtete die Tageszeitung die Söhne des O. seien in Zusammenhang mit diesem Vorfall von der Polizei verhört worden. Zu einer Ermittlung gegen die Jugendlichen kam es aber nicht.

Beide Kläger sind selbst Schauspieler und Sänger. Unter anderem wurden sie wurden durch bestimmte Jugendfilme, z.B. aus der Filmreihe „Wilde Kerle“, bekannt und erfreuen sich insbesondere unter Jugendlichen zahlreicher Fans. Sie sind Preisträger von Nachwuchspreisen und traten schon in zahlreichen TV-Shows auf. Schließlich hatten beide sich schon in Interviews zu ihren Plänen und Lebensansichten und zu ihrer Einstellung zu den Medien und der Öffentlichkeit geäußert.

Die Kläger verlangten nun von der „Sächsischen Zeitung“ die Verbreitung dieser Aussagen zu unterlassen. In den ersten beiden Instanzen wurde diesem Recht gegeben. Die „Sächsische Zeitung“ sah sich hierdurch allerdings unzulässigerweise in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt und reichte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

Entscheidung des Gerichts

Das BVerfG (Beschluss vom 25.01.2012, Az.: 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09) kam zu dem Ergebnis, dass durch die Urteile der vorinstanzlichen Gerichte die Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Zwar sei auch das Alter der Jugendlichen (zum damaligen Zeitpunkt 16 und 18) zu berücksichtigen, allerdings könne dies nicht generell zu der Annahme führen, dass eine Berichterstattung unzulässig sei.

Es sei aber eine Abwägung zwischen Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts und des Grades der Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit vorzunehmen. Besonders bei Wortberichterstattungen biete das allgemeine Persönlichkeitsrecht keinen generellen Schutz vor einer individualisierenden Berichterstattung sondern nur in spezifischer Hinsicht. Zu beachten sei hier insbesondere der Inhalt der Berichterstattung. Bei Strafverfahren sei die Namensnennung oder sonstige Identifikation des Täters nicht generell zulässig. Hier beinhalte der Bericht aber ein unstreitiges Verhalten der Jugendlichen, das noch nicht einmal Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen sei.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Presse nicht grundsätzlich zur anonymen Berichterstattung verpflichtet sei. Zu ihrer Aufgabe gehöre es auch die Verfehlungen konkreter Personen aufzuzeigen zumal diese selbst den Schutzbereich ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts selbst dadurch verringert hätten, dass sie insbesondere über das Fernsehen selbst die Öffentlichkeit gesucht hätten, und dabei ein Image als „Junge Wilde“ gepflegt hätten.  Wahre Aussagen seien dann hinzunehmen. Das Persönlichkeitsrecht biete keinen Anspruch nur so dargestellt zu werden wie man sich selbst sieht oder gesehen werden möchte.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass nur die Sozialsphäre der Kläger betroffen sei. Gegenstand des Berichts sei ein Bagatelldelikt, wodurch die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts gemindert werden würde, und keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet worden seien.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren daher zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Fazit

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Jugendlichen wiegt zwar schwer. Es hat aber nicht grundsätzlichen Vorrang gegenüber der Meinungsfreiheit des Berichterstatters. Vielmehr ist auch hier eine umfassende Abwägung der beeinträchtigten Rechte im Einzelfall vorzunehmen, bei der es sich insbesondere zum Nachteil des Betroffenen auswirken kann, wenn dieser sich selbst in der Öffentlichkeit exponiert.

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