Umgang mit Umstellungs- und Aufbrauchfristen bei Schutzrechtsverletzungen

Wer wegen einer Schutzrechtsverletzung (Marke, Urheberrecht, Geschmacksmuster usw.) oder einem Wettbewerbsverstoß (z.B. irreführende Werbung) zu recht vom Rechteinhaber oder einem Mitbewerber in Anspruch genommen wird, hat Glück, wenn sich der Kontrahent auf eine Umstellungs- oder Aufbrauchfrist einlässt und er so Zeit gewinnt, um den Verstoß zu beseitigen. Damit ist allerdings kein Freibrief für weitere Verletzungshandlungen verbunden. Vielmehr ist größte Sorgfalt auf das Verhalten während der laufenden Frist zu legen, um weitere Inanspruchnahmen zu vermeiden.

Stokkete / Shutterstock.com
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Der Sache nach stellt eine Umstellungs- oder Aufbrauchfrist eine vertragliche Nichtinanspruchnahmeverpflichtung (Pactum de non petendo) seitens des Rechteinhabers / Mitbewerbers dar. Dieser lässt den Verletzer für einen gewissen Zeitraum gewähren, wenn er sich für die Zeit der Unterlassung des beanstandeten Verhaltens sicher sein kann. Während der laufenden Frist ist zumindest das völlige Untätigbleiben bzw. der Abverkauf rechtsverletzender Waren ohne weiteres möglich, wobei dies freilich vom genauen Inhalt der Vereinbarung abhängt. Die Gewährung einer Aufbrauchfrist verleitet den Verletzer jedoch allzu leicht zu der Annahme, es könne während des Fristlaufs nach Belieben verfahren werden.

Dass dies nicht zutrifft, musste sich vor Kurzem ein Mandant vom Landgericht Stuttgart erklären lassen. Im vorausgegangenen Verfahren wegen irreführender Werbung im Internet (Traditionswerbung / Alterswerbung) haben sich die Parteien dahingehend verglichen, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und für die Umstellung der Internetseite eine Umstellungsfrist bis 31.12.2012 gewährt wird. Anschließend hat der Mandant die streitgegenständlichen Inhalte geändert, ohne den Verstoß zu beseitigen. Leider wurden wir erst beauftragt, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war.

Eine Unterlassungserklärung, die auf einen bestimmten Verstoß bezogen ist, umfasst immer auch „kerngleiche“ Verstöße (sogenannte Kerntheorie), also Handlungen und Äußerungen, die dem Wortlaut der Erklärung zwar nicht entsprechen, aber der Sache nach gleich und daher ebenfalls zu unterlassen sind. Dies lässt sich durch Auslegung der Unterlassungserklärung in diese hineininterpretieren, was allgemein von den Gerichten auch so gehandhabt wird. Ansonsten wäre eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterlassungserklärung nie geeignet, die Wiederholungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch zu beseitigen. Dagegen ist die Vereinbarung der Umstellungs- und Aufbrauchfrist immer auf die konkrete Verletzungsform bezogen, sodass Änderungen der (später) zu unterlassenden Rechtsverletzung, die sich in diesem Kernbereich abspielen, auch während der laufenden Frist zu einer neuen Rechtsverletzung führen. Die Folge ist eine weitere Abmahnung und ggf. gerichtliche Inanspruchnahme. Letztere ist sogar überwiegend wahrscheinlich, weil sich der nicht oder schlecht vertretene Rechtsverletzer immer auf die laufende Umstellungs- oder Aufbrauchfrist berufen wird. Auch die versprochene Vertragsstrafe ist in diesem Fall fällig.

Das Problem stellt sich nicht nur bei Änderungen des zu unterlassenden Verhaltens, sondern auch bei der Nachproduktion von rechtsverletzenden Waren oder Werbemitteln, da ein „Aufbrauchen“ naturgemäß nur ein Absetzen von Gegenständen sein kann, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits existent waren. Es ist daher tunlichst darauf zu achten, dass während der Umstellungs-/Aufbrauchfrist keine neuer Sachverhalt generiert, sondern nur der bekannte und streitgegenständliche abgestellt wird. Lediglich den Zeitpunkt der Umstellung kann sich der Verpflichtete aussuchen und dies notfalls bis zum letzten Tag der Frist hinauszögern. Ausnahmen sind höchstens dann denkbar, wenn das zu unterlassende Verhalten aus mehreren selbstständigen Teilkomplexen besteht, die sukzessive geändert oder abgestellt werden. Dabei trägt der Verletzer das Risiko, das seine eigentlich gut gemeinte Änderung wider Erwarten doch noch in den Kernbereich der Unterlassungserklärung fällt und er damit bereits während der laufenden Umstellungsfrist in neue Schwierigkeiten gerät.

Maßgeblich für das Verhalten während und nach der Aufbrauchfrist ist der konkrete Wortlaut der Vereinbarung. Dabei ist auch genau zwischen einer Umstellungsfrist und einer Aufbrauchfrist zu unterscheiden. Während Umstellungfristen eher für nichtgegenständliche Verstöße gedacht sind (z.B. Umstellung einer Internetseite), betrifft die Aufbrauchfrist rechtsverletzende Waren oder Werbemittel. Auch hier können Probleme auftreten, wenn eine Aufbrauchfrist vereinbart wird, aber eine Umstellungsfrist gemeint war. Im Zweifel sollte daher immer genau vereinbart werden, was während der laufenden Frist zulässig ist, damit später keine Missverständnisse auftreten.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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