BGH:

Zulässigkeit von Rabatt- und Bonussystemen von EU-Versandapotheken

BGH schafft „Waffengleichheit“ hinsichtlich der Preisgestaltung örtlich ansässiger deutscher Apotheken einerseits und EU-Versandapotheken andererseits

Der BGH hatte gleich in mehreren Parallelverfahren über die Frage der Zulässigkeit von Rabatt- und Bonussystemen bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch EU-Versandapotheken zu entscheiden.

Die einzelnen Verfahren richteten sich zum einen gegen eine in den Niederlanden ansässige Apotheke, die im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente für den deutschen Markt anbot, zum anderen gegen drei in Nordrhein-Westfalen ansässige Apotheken, die für den Einkaufsservice einer in den Niederlanden ansässigen Versandapotheke warben, sowie gegen ein großes deutsches Versandhandelsunternehmen, das mit einem Einleger in seinem Katalog für eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke warb, die Boni für die Einlösung von Rezepten versprach.

Diese wurden von Betreibern inländischer Apotheken, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie zwei Apothekerverbänden u.a. wegen Verstoßes gegen die im Arzneimittelrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften auf Unterlassung der Ankündigung oder Gewährung der Boni bzw. Empfehlung der niederländischen Versandhandelsapotheke in Anspruch genommen.

In Bezug auf die Zulässigkeit von Rabatt- und Bonussysteme von Apotheken hat der BGH bereits am 09.09.2010 in mehreren Grundsatzentscheidungen (Link zur Pressemitteilung 172/10) einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann als gegeben angesehen, wenn ein Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Vielmehr haben die Richter einen solchen Verstoß auch dann bejaht, „wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen“.

Dieses Verhalten der Apotheker sei aber – so der BGH bereits im Jahr 2010 – nur dann geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern „spürbar“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beeinträchtigen, wenn keine nach dem Heilmittelwerbegesetz „zulässige Werbegabe“ vorliegt. Der BGH hat in diesem Zusammenhang eine Werbegabe im Wert von EUR 1 noch als zulässig angesehen, bei einer Werbegabe im Wert von EUR 5 hingegen eine spürbare Beeinträchtigung bejaht.

Nun stellte sich die Frage, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt.

Entscheidung des Gerichts

Die Frage, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für den Apothekenabgabepreis verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt, die im Wege des Versandhandels von einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässigen Versandapotheke im Inland in den Verkehr gebracht werden, wollte der BGH an sich bejahen, sah sich hieran aber aufgrund einer Entscheidung des Bundessozialgerichts gehindert.

Das Bundessozialgericht hatte in einem anderen Zusammenhang mit Urteil vom 28.07.2008 – Az. B 1 KR 4/08 R entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher versenden.

Vor diesem Hintergrund legte der BGH diese Frage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vor, welcher mit Beschluss vom 22.08.2012 – Az. GmS-OGB-1/10 entschied, dass die deutschen Preisvorschriften grundsätzlich auch dann gelten, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Versandapotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union an Endverbraucher in Deutschland abgegeben werden.

Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes stellen hiernach eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen.

Auf der Grundlage dieser Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes sowie der o.g. Grundsatzentscheidungen aus dem Jahre 2010 hat der BGH nunmehr in seinen jeweils am 26.02.2014 erlassenen Urteilen – Az. I ZR 77/09 und Az. I ZR 79/10 – bzw. den jeweils am 26.02.2014 gefassten Beschlüssen – Az. I ZR 72/08, Az. I ZR 119/09 und Az. I ZR 120/09 – den einzelnen Klagen auf Unterlassung im Ergebnis stattgegeben.

Zudem stellte der BGH in seiner Entscheidung Az. I ZR 77/09 fest, dass es in dem zugrundeliegenden Sachverhalt „nicht entscheidend war, dass die niederländische Versandapotheke die Verbraucher, die bei ihr verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen, bei dem beanstandeten Geschäftsmodell nicht direkt, sondern unter Einschaltung der Beklagten beliefert, da die hinsichtlich des Erfüllungsorts getroffene Regelung ersichtlich der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts dient“.

Fazit

Auch Apotheken, die ihren Sitz im europäischen Ausland haben, müssen sich bei der Abgabe verschreibungspflichtigen Arzneimittel und bei ihren (auch) an deutsche Kunden gerichteten Angeboten an die Vorgaben des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung halten. EU-Versandapotheken dürfen daher ebenso wie deutsche Apotheken ihren Kunden nur „Mini-Rabatte“ gewähren.

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