BGH:

Schadensersatzpflicht für einstweilige Verfügung

Ab wann und unter welchen Voraussetzungen macht sich jemand, der eine einstweilige Verfügung gegen einen anderen erwirkt diesem gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn die einstweilige Verfügung  später aufgehoben wird. Der Bundesgerichtshof hat hierzu einige Dinge klargestellt.

jeansBei der Verletzung von Marken-, Design-, Urheber- oder Patentrechten, sowie bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht werden Verstöße grundsätzlich zunächst abgemahnt. Erfolgt auf die Abmahnung keine Unterlassungserklärung wird, sofern noch möglich, in der Regel eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die einstweilige Verfügung ergeht meist ohne mündliche Verhandlung in kurzer Zeit per Beschluss. Diese für den Antragsteller schnelle und günstige Möglichkeit zu seinem Recht zu kommen, birgt aber auch das Risiko der Schadensersatzpflicht wenn der Beschluss später aufgehoben wird.

So erwirkte ein Jeanshersteller eine einstweilige Verfügung, die einem Konkurrenten untersagte das Jeansmodell „Nero“ herzustellen, anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Diesen Beschluss übersandte er dem Konkurrenten formlos am 12.06.2006. Am 20.06.2006 wurde der Verkauf des Jeansmodells daraufhin eingestellt. Erst am 06.07.2006 wurde der Beschluss dann nochmal förmlich zugestellt.

Am 14.03.2007 wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor Gericht zurückgenommen und anschließend ein reguläres Hauptsacheverfahren durchgeführt.

Im späteren regulären Verfahren wurde das Verbot aufgehoben. Der Hersteller des Jeansmodells „Nero“ verlangte daraufhin Schadensersatz für den Verkaufstop von Juni 2006 bis Dezember 2007.

Entscheidung des Gerichts

Der BGH (Urteil vom 10.07.2014 – Az. I ZR 249/12) bejaht in dem Fall eine Schadensersatzpflicht, allerdings erst ab dem Zeitpunkt der förmlichen Zustellung am 06.07.2006.

Eine formlose Zustellung einer Verbotsverfügung führe noch nicht zu einer Schadensersatzpflicht, da damit noch kein Vollstreckungsdruck verbunden sei, da Vollstreckungshandlungen eine ordnungsgemäße förmliche Zustellung voraussetzen.

Daher bestünden Schadensersatzansprüche grundsätzlich auch erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung.

Für den Zeitraum nach dem 14.03.2007 bestünden allerdings keine Ansprüche auf Schadensersatz, da die einstweilige Verfügung mit der Rücknahme ihre Wirkung verlor. Sofern die einstweilige Verfügung dennoch aufgrund Rechtsunsicherheit weiter befolgt wurde, führe dies nicht zu einem Schadensersatzanspruch wegen der einstweiligen Verfügung.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass man sich an eine einstweilige Verfügung erst halten muss, wenn diese ordnungsgemäß zugestellt wurde und solange diese noch Bestand hat. Für die Praxis besteht dann aber der Zwiespalt, dass der Weiterverkauf rechtsverletzender Waren direkt zu einem Schadensersatz führen kann. Hier muss man also im Einzelfall abwägen.

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Clemens Pfitzer

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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